Zum Thema Künstliche Intelligenz hat Carsten Maschmeyer eine klare Haltung. „Nicht die KI nimmt den Menschen die Arbeitsplätze weg; die Menschen, die KI einsetzen, werden diejenigen, die KI nicht nutzen, ersetzen“, sagt der Finanzunternehmer im Interview mit dem „KI-Buzzer“.
Der 65-Jährige baute einst die Finanzvertriebsgesellschaft AWD Holding AG (heute als Swiss Life Select zur Swiss Life gehörend) auf und fungiert seit der 3. Staffel der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“ als Investor. Unsere Redaktion hat Maschmeyer zu den Chancen und Risiken der KI befragt. Zudem erklärt er, warum die KI in Zukunft „unsere dritte Gehirnhälfte“ wird.
KI-BUZZER:Herr Maschmeyer, Sie sind ein prominenter Investor im Bereich Technologie. Was hat Ihr Interesse an Künstlicher Intelligenz geweckt und welche Rolle spielen KI-Technologien in Ihren aktuellen Projekten?
Carsten Maschmeyer:
Das Fundament der KI ist die Digitalisierung. Schon meine ersten Startup-Investments vor ca. 15 Jahren, Orderbird und Blacklane, waren Unternehmen, die Abläufe und Prozesse digitalisiert haben. In KI investiere ich seit einigen Jahren, jedenfalls lange bevor Ende November 2022 ChatGPT veröffentlicht wurde. Als Investor muss man immer vor der Welle sein. Mittlerweile ist KI ein Buzzword und wird von einigen Gründern auch benutzt, um den Preis hochzutreiben – mit Erfolg. KI-Startups sind viel höher bewertet als andere.
KI-BUZZER: Viele Menschen in Ihrer Altersgruppe stehen neuen Technologien skeptisch gegenüber. Wie würden Sie ihnen erklären, warum sie KI wie ChatGPT in ihrem Alltag nutzen sollten?
Carsten Maschmeyer:
Weil es das Leben schneller, einfacher, angenehmer macht. Ich bin überzeugt: Wer versucht, mit aktuellen technischen Entwicklungen Schritt zu halten, bleibt länger fit und altert langsamer. ChatGPT hat so viele praktische Funktionen, ich finde es auch nutzerfreundlicher als eine Suchmaschinen-Anfrage.
Für Anfänger gibt es eine hübsche Funktion: Einen Blick in den Kühlschrank werfen und dann in ChatGPT eingeben, welche Zutaten vorhanden sind und um ein entsprechendes Rezept bitten. Das eignet sich zum Üben und ist noch dazu praktisch.
KI-BUZZER: In dieser Ausgabe beleuchten wir die Künstliche Intelligenz unter dem Aspekt „KI für alle“. Das mag auf den ersten Blick gut klingen, doch glauben Sie, dass die breite Masse tatsächlich mit der Technologie umgehen kann? Oder haben wir da ein bisschen zu viel Optimismus?
Carsten Maschmeyer:
Die Menschen lehnen eher ab, was sie nicht verstehen. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass diejenigen, die KI auch tatsächlich nutzen, vor allem die Chancen sehen. Diejenigen aber, die KI noch nie ausprobiert haben, sehen die Risiken. Ich bin der Überzeugung: Die Chancen zu sehen, bringt immer mehr, als nur auf ein paar vermeintliche Risiken zu achten
KI-BUZZER: Welche Veränderungen und Entwicklungen erwarten Sie im Bereich der KI im kommenden Jahr? Gehen Sie davon aus, dass wir 2025 eine signifikante Veränderung im Alltag der Menschen erleben werden?
Carsten Maschmeyer:
2025 noch nicht. Wir neigen dazu, kurzfristige Änderungen zu überschätzen, aber langfristige zu unterschätzen. KI wird sich in unseren Alltag schleichen, nach und nach und in ein paar Jahren werden wir ohne nicht mehr auskommen wollen.
„Die Chancen zu sehen, bringt immer mehr, als nur auf ein paar vermeintliche Risiken zu achten.“
KI-BUZZER: Deutschland und Europa scheinen bei technologischen Neuerungen oft hinterherzuhinken, nicht zuletzt aufgrund strenger EU-Verordnungen. Jüngste Innovationen wie „Apple Intelligence“ oder die neuen „ChatGPT Voices“ von OpenAI kommen bei uns nur verzögert auf den Markt. Glauben Sie, dass wir uns dadurch technologisch abhängen lassen und unsere Wettbewerbsfähigkeit verlieren?
Carsten Maschmeyer:
Tools wie ChatGPT sind praktisch, aber machen sie uns nicht letztlich „fauler“? Wo ist die Grenze zwischen Unterstützung und der Gefahr, dass wir bald nicht mehr wissen, wie man ein Gespräch führt?
Diese Abgesänge auf die Kultur gibt es ja immer, wenn etwas Neues erfunden wird. Es war erst das Fernsehen, dann das Internet und ich weiß auch, dass früher Eltern ihren Kindern sagten, sie sollten nicht zu viel lesen, weil es das Gehirn verdirbt. Experten warnten im 19. Jahrhundert, dass Menschen ernsthaft Schaden nehmen, wenn sie mit der Eisenbahn schneller als 30 km/h fahren. Weniger ‚German Angst‘, bitte.
KI-BUZZER: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Chancen, die KI für Unternehmen bietet? Welche Risiken sollten wir im Auge behalten, um negative Auswirkungen zu vermeiden?
Carsten Maschmeyer:
KI wird unsere dritte Gehirnhälfte. Die größte Chance sehe ich darin, dass sich Menschen endlich nicht mehr um zeitraubende Routinetätigkeiten kümmern müssen. Das übernimmt die Maschine. Der Mensch kann sich auf das konzentrieren, was nur der Mensch kann: Empathie, Motivation, echte Kreativität.
Das größte Risiko ist, die KI nicht mitlernen zu lassen, weil die zugrunde liegenden Datensätze sich irgendwann nur noch aus KI-Ergebnissen generieren. Daher ist der menschliche Faktor so wichtig. Rein generische KI-Arbeit sollte es daher nicht geben.
KI-BUZZER: KI hat das Potenzial, die Gesundheitsversorgung zu revolutionieren. Würden Sie persönlich einem KI-gesteuerten Diagnosewerkzeug vertrauen oder wäre Ihnen die persönliche Verbindung zu einem Arzt wichtiger?
Carsten Maschmeyer:
Das ist kein Entweder-oder. Ich vertraue der KI hundertprozentig, wenn es darum geht, Hautveränderungen zu erkennen oder die genauen Grenzen von Tumorgewebe zu erkennen. Ich möchte aber natürlich trotzdem mit einem medizinisch und wissenschaftlich ausgebildeten Arzt sprechen und mit diesem Arzt meine Optionen, die Heilungschancen oder Diagnosen besprechen. Dieser Arzt soll aber bitte auf dem aktuellen Stand der Technik sein, weil dann die besten Ergebnisse erzielt werden.
KI-BUZZER: Sind Sie wirklich überzeugt, dass KI mehr Chancen als Risiken für Arbeitnehmer bringt? Oder sind Sie insgeheim ein bisschen besorgt, dass Roboter bald unsere Jobs übernehmen könnten?
Carsten Maschmeyer:
Einige Jobs werden sicher wegfallen und durch KI übernommen. Webdesign oder auch einige Tätigkeiten in der Logistik. Aber unterm Strich wird KI mehr Arbeitsplätze schaffen als vernichten. Ich möchte es so zusammenfassen: Nicht die KI nimmt den Menschen die Arbeitsplätze weg; die Menschen, die KI einsetzen, werden diejenigen, die KI nicht nutzen, ersetzen.
KI-BUZZER: Neben der möglichen Gefahr für Arbeitsplätze sehen Kritiker in der KI eine Bedrohung für die Menschlichkeit. Wie schätzen Sie die aktuelle Stimmung ein und was muss passieren, damit die Akzeptanz in der Bevölkerung steigt?
Carsten Maschmeyer:
Ethische Aspekte im KI-Einsatz sind besonders wichtig, denn die KI kann ja nur so ethisch sein, wie die Prompts, die sie bedienen oder die Daten, die sie hat. Ich merke aber, dass Unternehmen, die KI entwickeln, das besonders beachten und auch als wichtig für ihre Kundenakquise sehen. Ich gebe ein Beispiel: Zortify macht mittels KI Persönlichkeitsdiagnostik, die Personalentscheidern helfen soll, über Einstellungen und Beförderungen zu entscheiden. Das geht natürlich nur mit hohen ethischen Standards, da hier über die Lebensläufe von Menschen entschieden wird. Da hat der AI Act der EU, den ich ja sonst überdetailliert finde, einige gute Regeln geschaffen und auch ISO-Zertifizierungen helfen hier.
„Nicht die KI nimmt den Menschen die Arbeitsplätze weg; die Menschen, die KI einsetzen, werden diejenigen, die KI nicht nutzen, ersetzen.“
KI-BUZZER: Zuletzt gab es einen Shitstorm um die KI-Influencerin Emma, die deutsche Reiseorte vorstellt, an denen sie natürlich nie wirklich war. Sehen Sie in solchen KI-Influencer*innen eine Chance für innovative Wege im Tourismusmarketing und anderen Branchen oder läuft man hier Gefahr, Authentizität und Vertrauen zu verlieren?
Carsten Maschmeyer:
Entscheidend ist immer Transparenz. Die Menschen müssen wissen, ob das Bild, das sie sehen, echt ist, oder KI-generiert. Dasselbe gilt bei Chats im Kundendialog: Spreche ich mit einem Menschen oder einem hervorragenden KI-Bot? Wenn nun eine KI-Influencerin Emma Tourismus-Tipps gibt, sehe ich kein Problem, solange die Menschen wissen, dass Emma nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Bits und Bytes ist. Die nächste Emma wird schon keinen Shitstorm mehr hervorrufen.
KI-BUZZER: Einem breiten TV-Publikum sind Sie als Investor aus „Die Höhle der Löwen“ bekannt. Die Sendung feierte in diesem Jahr zehnjähriges Jubiläum. Welche Pitches wünschen Sie sich für die Zukunft – insbesondere in Verbindung mit der Künstlichen Intelligenz?
Carsten Maschmeyer:
Ich würde mir noch mehr Pitches zu Zukunfts-Themen wie Robotik, selbstfahrende Autos, KI für Krebstherapien und optimiertes Farming wünschen, damit mehr Nahrung produziert und der Welthunger minimiert werden kann. Also all das, was nachhaltig ist, Automation bedeutet und uns Menschen Zeit und Lebensqualität bringt. Was die dritte Gehirnhälfte, also die KI, angeht, kommt zunehmend mehr.
Herr Maschmeyer, herzlichen Dank für Ihre Zeit und das aufschlussreiche Gespräch!
21. Januar 2025
KI-GoldrauschTrumps Mega-Plan: 500 Milliarden für KI15. Januar 2025
ChatGPT mit CanvasKreative Text-Leinwand8. Januar 2025
Fake oder Fortschritt?Maxi Raabe zu KI-Influencern3. Dezember 2024
Schweinchen-VerschwörungKI malt keine Ferkel6. Oktober 2024
KI-Sprache leicht gemacht!47 Begriffe für KI-Profis