KI-BUZZER:Guten Tag, Frau Rust-Sorge. Vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit nehmen. Wir wollen uns heute mit den Rechtsfragen rund um KI befassen.
Stimmt es, dass diejenigen, die durch KI Bilder, Texte, Lieder oder andere Werke erstellen lassen, daran unter Umständen weder Urheberrechte noch Nutzungsrechte haben? Kann ich also ein Werk, das jemand durch den Einsatz von KI erstellt hat, ohne sein Wissen teuer weiterverkaufen – oder „fälschen“ und behaupten, ich hätte es gemacht?
Viola Rust-Sorge:
Das ist eine spannende Frage, die im Kontext von KI sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen eine besondere Brisanz hat.
Leider lässt sich das wie fast immer bei rechtlichen Fragen nicht pauschal beantworten.
Nach dem Urhebergesetz erwirbt nur derjenige Urheberrechte an einem Werk und damit auch eigene Verwertungsrechte daran, der dieses persönlich und damit selbst erstellt hat.
Darüber hinaus liegt nur dann ein urheberrechtlich geschütztes Werk vor, wenn es sich um eine geistige Schöpfung handelt. Neben der persönlichen Schöpfung ist also eine „geistige“ Leistung erforderlich. Zum Teil wird von einer bestimmten „Schöpfungshöhe“ gesprochen, die ein urheberrechtlich geschütztes Werk erreichen muss. Das Urheberrecht ist seit jeher „Mitteilungsgut“, wie sich schon aus der Gesetzesbegründung ergibt. Geschützt wird daher eine Form der qualifizierten menschlichen Kommunikation, die das Bindeglied zwischen der reinen Idee und der gewählten Ausdrucksform ist. Zwischen beiden liegt ein gedanklicher Prozess. An einem solchen fehlt es dann, wenn technische oder funktionale Zwänge den Ausdruck des Werks zwingend vorherbestimmen.
Bei Bildern, Texten oder Liedern, die ausschließlich von KI generiert werden, fehlt es sowohl an der Voraussetzung der persönlichen Schöpfung, als auch an der geistigen Schöpfung, weil die Leistungsergebnisse durch ein computerbasiertes System erzielt worden sind und keine selbst gewählte Ausdrucksform oder Idee dem Endprodukt zugrunde liegt.
Allerdings ist zwischen den Urheberrechten zu unterscheiden, die nur derjenige erwirbt, der ausschließlich selbst das Werk erschaffen hat, und dem Nutzungsberechtigten oder Lizenznehmer, der aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Urheber die Nutzungsrechte erworben hat, deren Art und Umfang konkret definiert werden müssen.
Bei den von Ihnen angesprochenen KI-Plattformen wird zum Teil die Möglichkeit eingeräumt, Nutzungsrechte an den Leistungsergebnissen zu erwerben, welche die eigene kommerzielle Nutzung erlauben. Dies kann auch dann gefordert werden, wenn keine Urheberrechte entstanden ist, weil es sich um eine vertragliche Abrede im Zusammenhang mit der Nutzung der Plattformen handelt,
Allerdings muss in jedem Einzelfall genau darauf geachtet werden, dass auch die Arten von Nutzungsrechten in dem Umfang erworben werden, welche die gewünschte Verwertung ermöglichen. Nach der Rechtsprechung für Urheberrechte muss z.B. für jedes Medium ein eigenes Nutzungsrecht eingeräumt werden, so dass ein Versäumnis zu einer angreifbaren unbefugten Nutzung führt. Dies dürfte auch auf unseren Fall übertragbar sein.
KI-BUZZER: Können denn nicht durch eigene Bearbeitungen oder sogar bereits durch den Eingabeprozess, der ja durch eine menschliche Idee gesteuert wird, eigene Urheberrechte entstehen?
Viola Rust-Sorge:
Sobald mehrere Personen an der Erstellung eines urheberrechtlich geschützten Werkes beteiligt sind, können diese Miturheber werden. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn das durch KI erstellte Leistungsergebnis in einer selbst urheberrechtlich geschützten Art und Weise verändert worden ist. Die Veränderungen oder Bearbeitungen müssen auch selbst eine geistige Schöpfung sein, die die erforderliche Schöpfungshöhe erreicht. Liegen diese Voraussetzungen vor, hat der Bearbeiter zumindest an dem von ihm eingearbeiteten Teil eigene Urheberechte erworben.
Die Frage, ob durch die menschlich generierte Eingabe (Prompt) bereits ein Miturheberrecht an dem Werk entstanden ist, das im Ergebnis durch die KI generiert worden ist, wurde noch nicht höchstrichterlich entschieden. Insoweit wird es aber auch auf den jeweiligen Einzelfall ankommen. Je ausgefeilter und dezidierter die Eingabe und damit die dahinterstehende Idee ist, desto eher kann eine gewisse Einflussnahme auf das Leistungsergebnis anerkannt werden. Auch dann wird aber immer die Frage bleiben, ob dies ausreicht, um bereits von einer geistigen Schöpfung in der erforderlichen Höhe sprechen zu können. Dies wird daher immer eine Einzelfallentscheidung bleiben.
Es ist daher empfehlenswert, die Rechtsprechung weiterzuverfolgen.
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KI-BUZZER: Wie können sich Unternehmen, Agenturen oder Privatpersonen im Umgang mit KI-generierten Inhalten absichern?
Viola Rust-Sorge:
Selbst dann, wenn keine Urheberrechte an den durch KI generierten Inhalten bestehen, kann der Betreiber der betreffenden Präsenz für die erzielten Ergebnisse gegebenenfalls Nutzungsentgelte fordern. Dies muss im ersten Schritt immer geprüft werden.
Insbesondere Werbeagenturen, aber auch Unternehmen, die sich zunehmend der KI zur Ausgestaltung ihrer Kreationen, Logos oder Kampagnen bedienen wollen, müssen daher sicherstellen, dass sowohl die Nutzungsrechte an den KI-basierten Leistungsergebnissen bestehen als auch nachweisen können, dass ihr Input eine zumindest teilweise eigene geistige Schöpfung darstellt und damit Miturheberrechte bestehen.
KI-BUZZER: Wenn ich mit KI ein Bild generiere, das möglicherweise z. B. an Disney-Pixar-Charaktere erinnert, und auf meinem privaten oder beruflichen Social-Media-Account veröffentliche, kann ich dann Ärger bekommen?
Viola Rust-Sorge:
Selbstverständlich. Denn dies hat nichts mit KI zu tun. Die unbefugte Nutzung von Charakteren kann sowohl gegen Urheberrechte verstoßen, als auch gegen Markenrechte. Nach der Rechtsprechung können Charakter z.B. aus der Literatur Urheberrechte für sich reklamieren und es ist ebenso denkbar, dass die Verantwortlichen sich Markenrechte in Form von Bildmarken für ihre Figuren haben schützen lassen. Es kommt dann immer auf die Frage an, ob eine nachweisbare Verwechslungsgefahr mit den geschützten Figuren vorliegt.
Sowohl nach den urheberrechtlichen als auch nach den markenrechtlichen Vorschriften bestehen dann sowohl Unterlassungsansprüche als auch bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen wie Vorsatz oder Fahrlässigkeit Auskunfts- und Schadenersatzansprüche. Diese können mit Abmahnungen, Einstweiligen Verfügungen und Klagen verfolgt werden.
Bei Urheberrechtsverletzungen können auch Privatpersonen mit nicht unerheblichen Schadenersatzforderungen rechnen.
Bei Markenrechtsverletzungen kommt es darauf an, ob die betroffenen Unternehmen die Figuren „markenmäßig“ genutzt haben.
Unternehmen wie Disney sind bereits in Rechtsstreitigkeiten verwickelt, weil KI-Bilder ihren geschützten Figuren ähneln. Während Technologieunternehmen argumentieren, dass ihre KI „transformative“ Werke schafft, die sich ausreichend von den Originalen unterscheiden, ergibt sich eine andere Rechtslage. wenn das Endergebnis mit der geschützten Figur verwechslungsfähig ist..
Etwas anderes kann dann gelten, wenn wir uns im Bereich der Parodie oder Satire befinden. Ein satirischer Text oder eine Parodie können gegebenenfalls selbst eigene Urheberrechte für sich reklamieren, wenn für diese Leistungsergebnisse die geistige Schöpfungshöhe erreicht wird.
KI-BUZZER: Aber was kann ich dafür, wenn die KI „Mist baut“ und Textpassagen oder Bilder bei anderen „klaut“?
Viola Rust-Sorge:
Grundsätzlich ist jeder für die Veröffentlichung eigener Inhalte rechtlich verantwortlich. Mit dem Argument, dass die KI „Mist gebaut hat“, kann sich daher niemand einer Haftung entziehen.
Problematisch ist, dass die Haftung für Unterlassungsansprüche verschuldensunabhängig ist. Sobald der Kläger den Verstoß dargelegt hat, ist der Beklagte haftbar. Anders ist dies nur bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen.
Fraglich ist dann, ob es eine Regressmöglichkeit bei dem Betreiber der betreffenden KI gibt.
Hier kommt zunächst zwar die neue EU-KI-Verordnung ins Spiel, die seit 1. August 2024 in Kraft ist. Sinn und Zweck der Verordnung ist die vereinheitlichte Regelung innerhalb der EU. Mit der Verordnung sind dezidierte Vorgaben für die verschiedenen KI-Systeme festgelegt worden und es müssen spezielle Überwachungsbehörden geschaffen werden. Je nach Risikogruppe werden den Betreibern besondere Prüfungs- und Sorgfaltspflichten auferlegt.
Die EU-Verordnung enthält aber keine Regelungen für eine Haftung der Betreiber der KI-Systeme bei Schadensfällen. Insoweit gelten die jeweiligen nationalen Gesetze.
In Deutschland werden die Regelungen der EU-Verordnung als „sonstige Rechte“ im Sinne der Regelung zur unerlaubten Handlung angesehen, die Schadenersatzansprüche und vorgelagerte Auskunftsansprüche im Falle von Verstößen entstehen lassen. Im Rahmen eines Regressprozesses wird es daher darauf ankommen, ob die jeweiligen Betreiber der KI-Systeme die ihnen nach der EU-Verordnung obliegenden Pflichten erfüllt haben. Aufgrund der neuen Rechtslage wird dies mit erheblichen Prozessrisiken verbunden sein.
Es ist daher empfehlenswert, die KI-basierten Leistungsergebnisse nicht einfach ungeprüft zu übernehmen, sondern wie bisher auch nach dem Vorliegen etwaiger entgegenstehender Urheberrechte oder Markenrechte umfassend zu recherchieren und insbesondere Beweise für eine Entlastung zu sammeln und zu sichern.
KI-BUZZER: Welche Strafen drohen?
Viola Rust-Sorge:
Bei Urheberrechtsverstößen kann der geltend gemachte Schadenersatz sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen allein bei der unbefugten Nutzung eines einzelnen Bildes bei mehreren tausend Euro liegen.
Allerdings kommt es wie dargelegt darauf an, dass auch ein Urheberrechtsverstoß vorliegt. Die Betreiber von KI-Systemen können sich aktuell in den meisten Fällen noch nicht auf die Verletzung von Urheberrechten stützen.
Im Übrigen gilt die bisherige Rechtslage. Neben den Rechtsanwaltskosten für die Abmahnungen werden dann auch noch Schadenersatzforderungen im Raum stehen.
Bei der Verletzung von Markenrechten, insbesondere von bekannten Marken, liegen die Schadenersatzforderungen gegenüber den verletzenden Unternehmen in einem sehr hohen Bereich.
KI-BUZZER: Datenschutz und KI – was ist dabei zu beachten?
Viola Rust-Sorge:
Der Datenschutz ist ein zentrales Thema, insbesondere wenn KI-Systeme personenbezogene Daten verarbeiten. So erhebt z.B. ein Kundenservice-Bot, der auf ChatGPT basiert Namen, Kontaktdaten oder sogar Zahlungsinformationen. Wenn diese Daten in die USA übertragen werden, wo sich der Server befindet, ist die Einhaltung der datenschutzrechtlichen EU-Vorgaben nicht mehr möglich.
Aktuell ist OpenAI, das Unternehmen, das ChatGPT zu verantworten hat, nicht im Data Privacy Framework der USA zertifiziert. Ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen könnte also ein Datenschutzverstoß vorliegen. Es ist daher zwingend zu empfehlen, dass Unternehmen sicherstellen, KI-Systeme aufzubauen, die den europäischen Datenschutzanforderungen entsprechen, um einer Haftung zu entgehen.
Bei Datenschutzverstößen drohen Strafen von bis zu 20 Millionen Euro oder 4 % des Jahresumsatzes. Diese Strafen gelten insbesondere für Unternehmen, die unsachgemäß mit personenbezogenen Daten umgehen.
Gerade im Zusammenhang mit dem ordnungsgemäßen und rechtmäßigen Umgang mit KI-Inhalten gibt es in den Unternehmen derzeit ein hohes Maß an Unklarheit und rechtlicher Unsicherheit.
Frau Rust-Sorge, herzlichen Dank für Ihre Zeit und die aufschlussreichen Antworten. Wir freuen uns schon auf das nächste spannende Rechtsthema, bei dem wir sicher wieder auf Ihre Expertise zählen dürfen!